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SGPP und WASAD 2023

SGAD Symposium: Update affektive Störungen


Der PSY-Kongress 2023 der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) vom 7. – 8. September 2023 in Bern und der 4. internationale Kongress der World Association for Stress Related and Anxiety Disorders (WASAD) vom 11. – 13. September 2023 in Zürich drehten sich um den Umgang mit Stress und Ängsten in einer Welt der chronischen Krise. Während dem Symposium der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) haben die Expert:innen Prof. Dr. med. Annette Brühl, Prof. Dr. med. Martin Hatzinger, Prof. Dr. med. Martin Preisig und Prof. Dr. Andreas Menke ihre aktuellen Erkenntnisse zur Ätiologie und Therapie von Angstzuständen, Depressionen und stressbedingten Störungen präsentiert.


Umweltfaktoren bei Nachkommen von Eltern mit bipolaren Störungen und ihre Rolle bei der Eltern-Kind-Übertragung

In einer 14-jährigen prospektiven Hochrisikostudie zur Übertragung von bipolaren Störungen (BPD) hat Prof. Dr. med. Martin Preisig (CEPP Lausanne) die Umweltfaktoren bei Nachkommen von Eltern mit BPD und deren Rolle bei der Übertragung von Eltern auf Kinder untersucht. BPD und Depressionen sind äusserst komplexe Erkrankungen und können eine erhebliche klinische Heterogenität aufweisen, einschliesslich Unterschieden in Symptomen, Krankheitsverlauf und Ansprechen auf die Behandlung. Des Weiteren gibt es eine ätiologische Vielfalt, die biologische und genetische Faktoren, familiäre Faktoren und individuelle Faktoren umfasst. Für die Entwicklung geeigneter Therapien ist es deshalb wichtig zu verstehen, welche Faktoren eine Rolle in der Entwicklung der Erkrankung spielen. Genetische Faktoren können im Rahmen von psychiatrischen Erkrankungen nicht verändert werden, aber trotzdem spielt die familiäre Vorgeschichte eine wichtige Rolle. So ist laut Prof. Preisig bei der BPD eine positive Familienanamnese der wichtigste prädiktive Faktor für das Auftreten einer bipolaren Störung bei den Kindern. Das Risiko für Kinder, eine BPD zu entwickeln, ist um das 12-fache höher, wenn ein Elternteil eine BPD hat, während es für die Major Depression (MDD) etwa 2,4-fach höher ist. In seinem Vortrag weist Prof. Preisig auch daraufhin, dass Nachkommen von Probanden mit früh einsetzender BPD (Eintritt vor 21 Jahren) ein höheres Risiko für BPD haben im Vergleich zu Nachkommen von Probanden mit später einsetzender BPD (Eintritt nach 21 Jahren). Des Weiteren wurden in der Studie der Zusammenhang zwischen einer elterlichen BPD oder eine Depression mit verschiedenen Faktoren, denen die Kinder ausgesetzt sind, untersucht. Tatsächlich wurden Unterschiede im familiären Zusammenhalt, in der Erziehung und in Bezug auf traumatische Ereignisse in der Kindheit zwischen Kindern mit erkrankten Eltern und Kindern von Kontrollprobanden gefunden. Im Kontext der Übertragung der BPD von Probanden auf ihre Nachkommen deuten die Ergebnisse der Studie aber darauf hin, dass keine dieser Faktoren mit dem Risiko einer BPD bei den Nachkommen verbunden ist und diese daher nicht das stark erhöhte Risiko einer BPD bei den Kindern von erkrankten Eltern erklären können. Traumatische Ereignisse in der Kindheit sind hingegen mit dem Auftreten von Depressionen bei den Kindern assoziiert. Somit können die in den Familien von depressiven Eltern häufiger vorkommenden traumatischen Ereignisse wenigstens teilweise das erhöhte Risiko der Kinder in diesen Familien an einer Depression zu erkranken erklären.

Biomarker-gesteuerte Antidepressivatherapie

Etwa 30 bis 50 % der Patient:innen mit Depressionen sprechen nach vierwöchiger Behandlung nicht auf das verschriebene Antidepressivum (AD) an. Mit diesen Zahlen eröffnete Prof. Dr. med. Martin Hatzinger (soH Solothurn) seinen Vortrag. Die Suche nach zuverlässigen Biomarkern für effizientere AD-Behandlungen ist daher von höchster Bedeutung, da die Auswahl von AD bisher ausschliesslich auf klinischen Faktoren beruht und man das Ansprechen erst nach mehreren Wochen Behandlung beurteilen kann. In seiner Präsentation stellt Prof. Hatzinger verschiedene potenzielle Biomarker für die Beurteilung des Ansprechens auf eine antidepressive Therapie vor, darunter das Stresssystem, Mechanismen der Neuroplastizität, die Schlafregulierung und pharmakogenetische Ansätze.

Unter den vielversprechenden Kandidaten hat die präfrontale Theta-Cordance, ein Mass für die lokale Hirnaktivität während des REM-Schlafs, ein grosses Potenzial als prädiktiven Biomarker gezeigt. Wenn es innerhalb der ersten Woche einer AD-Behandlung eine Veränderung in der Theta-Cordance während des REM-Schlafs gibt, kann dies ein Ansprechen auf die Behandlung mit Antidepressiva vorhersagen. Diese frühzeitige Vorhersage ermöglicht eine unmittelbare Anpassung der Behandlung bei Anzeichen für ein Nicht-Ansprechen und führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit der Therapieansprechrate. Darüber hinaus spielt auch die Genetik eine wichtige Rolle in der personalisierten Therapie, wobei genetisch sowohl die Pharmakokinetik als auch die Pharmakodynamik von AD beeinflusst werden kann. Pharmakogenetische Tests können bei Therapieentscheidungen helfen und so die Behandlungszeiten verkürzen und zu einem rascheren und verbesserten Ansprechen führen.


Hirnstimulation bei stressbedingten, angstbedingten und affektiven Störungen

In ihrem Vortrag beleuchtete Prof. Dr. med. Annette Brühl (UPD Basel) die sich entwickelnden diagnostischen Feinheiten und die teilweise verschwommenen Abgrenzungen im Kontext der Diagnose von Stress- und Traumasymptomen, Angstzuständen und Depressionen. Sie stellte verschiedene Methoden der Hirnstimulation vor, angefangen bei der etablierten Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) bis hin zu neueren Techniken wie den transkraniellen Elektrostimulationen (tDCS, tACS und tRNS). EKT und rTMS sind gut etabliert in der Behandlung von affektiven Störungen. Besonders zu beachten ist, dass EKT und rTMS mittlerweile zur Zweitlinienbehandlung für therapieresistente Depressionen (TRD) vorgeschlagen werden. EKT wird für schwere Fälle empfohlen, insbesondere bei älteren Patient:innen oder wenn psychotische Symptome vorliegen, und zeigt laut Prof. Brühl oft eine schnelle Besserung innerhalb von 2-3 Wochen. Des Weiteren zeigt die EKT-Therapie eine gute Erfolgsbilanz in verschiedenen depressiven, manischen, psychotischen und katatonischen Störungen. Zusätzlich berührte der Vortrag von Prof. Brühl die Bedeutung und Weiterentwicklung von verschiedenen transkraniellen Elektrostimulationen wie tDCS und tACS, sowie die Vagnusnervstimulation (VNS) in anderen Bereichen wie traumabezogenen, Angst- und zwanghaften Störungen sowie verwandten Erkrankungen. So werden tDCS und VNS von verschiedenen Leitlinien als third-line Therapie empfohlen.

Behandlung von TRD

Prof. Dr. med. Andreas Menke (Medical Park Chiemseeblick) verdeutlichte die Herausforderungen bei der Behandlung von TRD und die verschiedenen Ansätze zur Verbesserung der Behandlungseffizienz. Trotz der Prävalenz von TRD und der erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität vieler Patient:innen sind die Erfolgsraten herkömmlicher AD begrenzt. Gründe für das Therapieversagen schliessen Krankheitsmerkmale wie eine Fehldiagnose oder komorbide psychiatrische Erkrankungen ein, oder aber auch Behandlungsmerkmale wie die Therapiedauer und Dosierung.

Für eine optimale Therapieüberwachung sollen Therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) und Pharmakogenetik berücksichtigt werden. TDM würde sicherstellen, dass die richtige Dosierung und Dauer der Behandlung erreicht wird, wodurch die Therapie optimiert werden kann. Die Berücksichtigung von Pharmakogenetik würde die Auswahl von AD auf der Grundlage genetischer Faktoren personalisieren, was die Wahrscheinlichkeit einer positiven Reaktion erhöht. Des Weiteren stellte Prof. Menke Ketamin/Esketamin und EKT als vielversprechende Optionen für die Behandlung von TRD vor und unterstrich die Notwendigkeit einer personalisierten Herangehensweise, um die Behandlungsergebnisse für Patient:innen mit TRD zu verbessern.

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